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Standpunkt 20.03.2024
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Standpunkt Steiger: Die ignorierten Kosten der Klimapolitik

Wirtschaftspolitische Kolumne des Generalsekretärs des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger

Die letzten Tage zeigen wie durch ein Brennglas, dass wir eine neue Diskussion in der Klimapolitik führen müssen. Es geht dabei keineswegs um das Ob, es geht um die richtigen Maßnahmen und Mittel. Das in Deutschland dominierende Verständnis beruht auf eklatanten Fehlannahmen und ist geprägt von ökonomischer Unvernunft. Erfolgreiche Transformationen werden von Bürgern und Märkten getragen, niemals gegen sie erzwungen. Ihre Erfolgsfaktoren sind Innovationen und Technologien und nicht Verbote, Subventionen und Gängelungen. 

Doch diese einfache Erkenntnis scheint keineswegs Konsens zu sein: Erstmals sei Deutschland nun bei der Erreichung seiner Klimaziele auf Kurs, proklamierte Bundeswirtschaftsminister Habeck dieser Tage stolz. Der Erfolg sei das Ergebnis von politischen  Plänen, Förderprogrammen und  Gesetzen. Auf großen Papptafeln präsentierte Habeck seine Projektionsdaten. Um die Fortschritte besonders imposant wirken zu lassen, griff er sogar tief in die Kreativkiste und ließ die Y-Achse seiner Grafik kurzerhand bei 5.000 statt bei null starten. Schwupps, wirkte es, als hätte Habeck die Emissionen nahezu halbiert. Trotz dieser kunstvollen Effekte kam keine Feierstimmung auf. Zu offensichtlich drängte sich die Frage auf, ob Habecks Erfolg nicht auf dem Wegzug und Niedergang der Industrie basiert. Doch wem ist geholfen, wenn etwa die hocheffiziente deutsche Ammoniakproduktion ihre Zelte am Standort abbricht, um an anderen Stellen der Welt mit einem CO2-Ausstoss zu produzieren, der um den Faktor fünf und mehr höher liegt? Was bringt das Erreichen deutscher Ziele, wenn gleichzeitig gemeldet wird, dass der weltweite Energieverbrauch auf Rekordniveau ansteigt und der Kohleverbrauch in der EU auf einen Höchststand springt? 

Genau an diesen Fragen lässt sich ablesen, dass wir in der deutschen Klimadebatte bislang viel zu einfach gerechnet haben. Die Argumentation war schlicht, der Klimawandel verursacht Kosten und die müssen verhindert werden. In diese Gleichung müssen wir einbeziehen, dass der Klimawandel eine internationale Koordinierungsaufgabe ist. Zudem müssen wir eingestehen, dass es einen zweiten Kostenfaktor gibt – die Kosten der Klimapolitik. Ebenso real wie die drohenden Schäden durch den Klimawandel, sind die Kosten ineffizienter und schlechter Maßnahmen verminderter Emissionen und sie treffen vor allem die Schwächsten. Wenn Politiker und Aktivisten drastische Maßnahmen zum Klimaschutz fordern, müssen sie auch nachweisen, dass die Eingriffe auch wirksam CO2 einsparen und gleichzeitig dieses Ziel nicht mit anderen Maßnahmen kostengünstiger erreicht werden  kann – beides ist zuletzt häufig nicht gelungen.

Ein aktuelles Negativbeispiel ist die Stellungnahme des Ethikrates zur Klimagerechtigkeit. Freiheitseinschränkungen, Verbote, Wachstumsstopp und Konsumverzicht sollen Perspektiven für ein gutes Leben in einer klimaneutralen Gesellschaft ermöglichen. Wer fordert so etwas? Weniger Wachstum bedeutet weniger Bildung, Gesundheit, Wohlstand und technischer Fortschritt. Es trifft vor allem die Schwächsten. In einem beachtenswerten Sondervotum distanzieren sich einige Mitglieder nicht nur von diesem Bericht – sie warnen sogar ausdrücklich davor, dass nationale Anstrengungen nur sehr geringen Einfluss auf den globalen CO2-Ausstoß haben und sich Eingriffe in die individuelle Freiheit der Bürger auf dieser Basis nicht legitimieren lassen.

Der Klimawandel ist eine gewaltige Herausforderung, um die wir uns mit größter Aufmerksamkeit kümmern müssen, aber er darf nicht weiter missbraucht werden, um grundlegende Gesellschaftsveränderungen durchzuführen. Wer Klimapolitik gegen Wohlstand stellt, schadet der Sache massiv. Es ist eine absehbare Entwicklung: Sobald der Kampf gegen den Klimawandel zu teuer wird, wählen die Bürger ihn ab. Genau dadurch wird der notwendige Wandel erschwert - Klimaschutz braucht Akzeptanz und einen langen Atem. Die Klimapolitik muss wie jedes andere Politikfeld letztlich von den Bürgern getragen werden und auf ihre freiwillige Zustimmung bauen – ordnungspolitische Grundprinzipien dürfen deshalb nicht länger unbeachtet bleiben. 

Zum Glück gibt es klügere Wege. Gerade die Denker der Sozialen Marktwirtschaft haben früh erkannt, welche Bedeutung Umwelt- und Klimaschutz haben werden. Diese Themenfelder waren integraler Bestandteil der von Alfred Müller-Armack skizzierten zweiten Phase der Sozialen Marktwirtschaft, die er als gesellschaftspolitische Phase kennzeichnete. Die Schonung von Ressourcen, Anreize für Umweltschutz in Unternehmen und die Einbindung der gesamten Gesellschaft waren damals ein visionäres Konzept. Darauf lässt sich noch heute aufbauen. Die Soziale Marktwirtschaft ist doch gerade deshalb so ein Erfolgsmodell, weil es auf das Beste im Menschen setzt – seinen Erfindergeist und seine Kreativität.